Segelschulschiff "Gorch Fock"
"Rahsegler im Rennen- keine falsche Romantik sollte ihnen angedichtet werden: es sind nicht `Die letzten Segelschiffe`, und auch ihre Lieder und Shanties werden weitergesungen in alle Zeiten, allen wehmütigen Betrachtungen in Presse und Funk zum Trotz, denn, was die wenigsten in Deutschland wissen, über zwanzig Rahschiffe fahren in der freien Welt für die seemännische Erziehung."
Welches sind nun die Ausbildungswerte, die gerade fortschrittliche Länder veranlassen, den Großsegler in einer Zeit schneller Technisierung verstärkt einzusetzen?
Wesentlich für die Ausbildung auf einem Großsegler ist der längere Seetörn, der über kurzfristiges Interesse an etwas Neuem hinaus zu Beständigkeit und Ausdauer zwingt, der über einen kurzen Einblick in das Uhrwerk der manuellen Funktionen hinaus disziplinierte Arbeit aller bis zur Beherrschung des Ganzen fordert. Kaum anderswo wird die Bedeutung des Teamworks jedermann derart eindringlich, unmittelbar und in seiner Wirkung sofort vor Augen geführt, während zugleich die Verantwortung jedes Einzelnen für Leben und Sicherheit seines Nebenmanns und der Besatzung klar wird. Eine solche Lage ist den meisten Leuten heute völlig fremd. Im individualistischen Nebenein- ander von Schule und Konsumgesellschaft groß geworden, die reichhaltigen Errungenschaften der Gesellschaft selbstverständlich benutzend, ohne schon etwas für sie getan oder die Notwendigkeit dazu genügend bedacht zu haben, werden sie plötzlich vor Aufgaben gestellt, die ihnen ihre Grenzen aufzeigen, die sie körperlich und als Persönlichkeiten fordern und die mit sporadischen Einzelspurts nicht zu lösen sind. Sie erkennen ihre eigenen Möglichkeiten und Schwächen und die der anderen und begreifen mit einem ganz neuen, sie bewegenden Staunen, was man in Gemeinsamkeit alles erreichen kann. Zugleich lernen die im Zeitalter der Motorisierung körperlich unzureichend trainierten jungen Männer, die meisten zum ersten Male in ihrem Leben, richtige Knochenarbeit kennen (wenn auch nicht so viel, wie sie hinterher gerne erzählen).
Arbeit in luftiger Höhe, aber auch die an besonders verantwortlicher Stelle an Deck, fordert anfangs Überwindung menschlicher Schwäche, bildet (und scheidet) die Charaktere, zwingt zu umsichtigem Vorausdenken, sicherem Griff und Körperbeherrschung, gibt mit der Zeit innere Sicherheit und gesundes Selbstgefühl. "Seebeine" wachsen einem auch anderswo, aber nichts schärft alle Sinne so für die Erscheinungsformen der Natur, als wenn man sich nur mit ihrer Hilfe und eigener Hände Kraft fortbewegt und sich ständig gegen sie behaupten muß. Gleichzeitig wachsen-unmerklich-Wachsamkeit, Entschlußkraft, Verantwortungsgefühl: alles Eigenschaften, die auf See, vor allem für den Führer auf See, unentbehlich sind."
Hans Engel, Kommandant SSS "Gorch Fock" von 1962 bis 1965 . "Zum Geleit" Aus dem Buch:"Rahsegler im Rennen" ,Duborger Bücherzentrale, Flensburg 1965 Autor : Kpt.z.S. Hans Freiherr von Stackelberg
Stehendes Gut und Spieren "SSS Gorch Fock"
Alle, das Segelschulschiff "Gorch Fock" betreffenden Texte und Zeichnungen sind der Schriftenreihe "Soldatisches Wissen,Marine,Seemännischer Dienst", Author, Hans Freiherr von Stackelberg entnommen. Die Wiedergabe auf der Internet Seite www.jack-tar.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Authors und ehemaligem Kommandanten des Segelschulschiffes "Gorch Fock" Kapitän zur See a.D. Hans Freiherr von Stackelberg.
Auf dem Segelschulschiff sind alle Masten, Stengen und Rahen sowie der Bugspriet, Besanbaum und die Besangaffel aus Schiffbaustahl. Die Untermasten des Fock-und Großmastes werden in der Höhe der Unterrahen zur besseren seitlichen Abstützung durch die Marsen unterteilt. Der Teil oberhalb der Marsen führt die Bezeichnung "Marsstenge", obwohl die Untermasten bis zum Stengetopp aus einem Stück sind. An den Stengetoppen befinden sich die Bramsalinge. Sie stellen eine feste Verbindung zwischen den Untermasten und den Bramstengen dar und nehmen den seitlichen und senkrechten Druck auf, den die Stengen am Fuß auf die Untermasten ausüben. Über den Topp der Untermasten ist das Eselshaupt gestreift, das zur Führung der Bramstenge dient. Der Besanmast wird oberhalb des Gaffellümmels durch die Besansaling unterteilt, die der besseren seitlichen Abstützung dient.
Abmessungen
Fockmast.............. 45,3 m über KWL
Großmast............. 45,5 m über KWL
Besanmast .......... 40,0 m über KWL
Fock und Großrah.. 24,0 m
Bugspriet.............. 9,6 m
Besanbaum ......... 16,4 m
(KWL = Konstruktionswasserlinie)
I. Allgemeine Takelkunde und Begriffsbestimmungen
1. Spieren: Als Spieren bezeichnet man alle Rundhölzer, die dem Rig zur Aufnahme, Leitung oder Befestigung von laufendem Gut dienen.
a) Der Bugspriet wird gehalten nach oben durch die Stagen des Vortopps, seitlich durch die Back-stagen und nach unten durch das große und das kleine Wasserstag. Der Bugspriet dient dem Setzen der Vorstagsegel.
b) Die Stengen verlängern die Masten von der Bramsaling an aufwärts und tragen die Rahen der oberen Segel (Bram und Royal). Beide Stengen (an Fock- und Großmast) können nötigenfalls nach unten weggefiert werden.
c) Die Rahen halten und tragen die Rahsegel und geben diesen die gewünschte Stellung zum Wind. Sie werden horizontal bewegt und gekantet durch die an ihren Nocken angebrachten Brassen, vertikal durch die Toppnanten, soweit diese (wie bei Fock- und Großrah) beweglich gehalten sind. Die Unterrahen (Fock- und Großrah) sowie die Untermarsen sind feste Rahen. Obermars -, Bram- und Royalrah sind beweglich; sie werden zum Segelsetzen geheißt. Die Segel sind mit ihrem oberen Liek an die Rahen angeschlagen. Gleichzeitig nehmen die Rahen die Schoten der darüber befindlichen Segel auf und leiten diese an Deck.
d) Gaffeln und Besanbaum sind bewegliche Spieren am Besanmast und nehmen zwischen sich den oberen und unteren Besan auf.
2. Stehendes Gut ist Stahldrahttauwerk zum Abstützen der Masten und Stengen. Es ist unbeweglich und auf Spannschrauben gesetzt.
a) Stagen sind einfach oder doppelt geschoren und stützen die Masten und Stenge nach voraus ab. Die Stagen dienen gleichzeitig als Leiter für Vor-, Groß- und Besanstagsegel.
b) Wanten sind seitliche und gleichzeitig stärkste Abstützung der Masten und Stengen. Man unterscheidet die Unterwanten, die Marsstengewanten und die Bramstengewanten. Unterwanten dienen zur Abstützung des Untermastes, Marsstengewanten zur Abstützung des Mastes oberhalb der Mars ( ein fester Teil des Mastes, auch Marsstenge genannt), Bramstengewanten dienen zur Abstützung der als Verlängerung des Untermastes gesondert aufgesetzten Bramstenge. Die Verbindung zwischen den jeweils unteren und oberen Wanten bilden die Püttingswanten, die schräg über die Mars- bzw. Bramsaling führen. Alle Wanten sind ausgewebt.
c) Pardunen stützen Masten und Stengen nach achtern ab.