Men before the mast
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Ein Matrose, der mit Fid und Marlspiker gut umzugehen verstand, Manila und Draht spleißen konnte; im Handumdrehen jeden Knoten schlug und auch die kompliziertesten Zierknoten seinen „shipmates“ vormachen konnte, der war nicht nur ein guter Ausbilder für die "Jungen"; er genoß an Bord eines Segelschiffes auch Anerkennung und hohes Ansehen.
"Jeder Anwärter war einem Vollmatrosen zugeteilt, um bei ihm die Kunst des Spleißens zu erlernen. Wir fertigten Schamfielungsmatten, Plattings, Pützenreeps mit Zierknoten, Hundepünte und was sonst dazu gehört, um das Gewirr von Trossen und Stahlleinen gebrauchsfertig zu halten." Jones, William H.S.: Sturmverweht, Verlag Die Brigantine, Hamburg 1968
Janmaat verstand sein Handwerk und legte zudem großen Wert auf gutes Werkzeug, das er oft selbst fertigte und liebevoll dekorierte. Wie man sich solch einen „Janmaaten“ vorstellte, deutet ein altes englisches Sprichwort an:
every finger a marlinespike and
his blood of Stockholm Tar "
Herman Melville, der selbst einige Jahre zur See fuhr, beschreibt in seiner Erzählung "White Jacket" den ergrauten Seemann, " Old Ushant", in Erwartung dessen Auspeitschung mit der Neunschwänzigen Katze : "Sein Scheidemesser war antik, eine Art altmodische Heckensichel; der Griff- ein Pottwalzahn- rundum graviert mit Schiffen, Kanonen und Ankern. Er trug es um den Nacken, an einem Bändsel, verziert mit Rosenknoten und Türkischen Bunden, geknüpft von eigenen, ehrwürdigen Händen."
Bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts hinein haftete Seeleuten in gewisser Weise ein Hauch des Exotischen und des Abenteuers an. Man hatte bestimmte Vorstellungen von ihrem Äußeren und ihrem Verhalten. Einiges mochte den Tatsachen entsprechen, vieles sicher nicht. Wahr ist, daß Seeleute, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, so gut wie keine Rechte besaßen und der Willkür mancher Reeder, Kapitäne und, nicht zu vergessen, den Landhaien, oft gnadenlos ausgeliefert waren.
Wahr ist auch, daß Segelschiffsmänner unter primitivsten Bedingungen, was Unterbringung, Verpflegung, gesundheitliche Betreuung und Bezahlung (Heuer) anbetraf; mit oft hohem körperlichen Einsatz und seemännischem Geschick großartige Leistungen auf ihren Schiffen erbrachten. Sie waren stolz, auf das, was sie konnten und getreu ausführten. Zufrieden stellen konnte man sie an sich mit wenig: Mit menschenwürdiger Behandlung! Und diese beinhaltet u.a. die oben angeführten Bedingungen.
Sonst waren Segelschiffsmänner sehr wohl ein wenig wie "Old Ushant": Janmaat ließ sich gern tätowieren: " Glaube, Liebe, Hoffnung" auf dem muskulösem Oberarm oder , wenn`s schlimm kam: Ein Vollschiff auf dem man gefahren war, auf der breiten Brust.
Großen Wert legten sie auf den selbstgenähten, mit eigenem Werkzeug bestückten " Kreefbüdel " und das am Hosengürtel, achtern mittig, getragene Scheidemesser. Dem ein oder anderen Laster war Janmaat natürlich nicht abhold: "König Alkohol" spielte dabei meist nur an Land eine Rolle, dann aber richtig. An Bord war Hochprozentiges untersagt, es sei denn , der "Alte" spendierte mal, nach einem anstrengende Segelmanöver, einen Rum für alle.
"Das Gröbste ist getan. `Besanschot an! ` Das ist die helle Stimme des Zweiten. Er hat sich unter dem einigermaßen geschützten Halbdeck irgendwie festgeklemmt, mit der Flasche in der einen, dem Schnapsglas in der anderen Hand. Es ist ein tiefes Glas. Einer nach dem anderen tritt heran und kippt den Köhm hinter die Binde. Es geht streng nach Dienstgrad und Alter." K. Reich/ M. Pagel: Himmelsbesen über weißen Hunden, Hoffmann u. Kampe, Hamburg 1981
Besonders das Rauchen einer Tabakspfeife war unter den Seeleuten der Segelschiffszeit sehr beliebt und war mehr oder weniger Statussymbol. In der Regel rauchte man in den Freiwachen an Deck , oder, wenn die Wetterlage dies nicht zuließ, auch im engen Logis.
Hier ist anzumerken, daß Rauchen weitgehend nur den ausgebildeten Matrosen erlaubt war und diese streng darauf achteten, daß Schiffsjungen und Jungmänner sich an dieses Verbot hielten:
"Wat unner`n Madrosen wier, dörfte nich roken. - Ik wier Lichtmadros`, un en Madros`hadd mi mit de Kalkpiep drapen. Dor hüng he de Piep inne Roof ( Logis ) an`n Spiker - dor künn ik`s ankieken. Ihrst as ik afmunstern ded`, kreeg ik se wedder." Und weiter: " Erst, wer voll ausgebildet ist, kann sich das Vorrecht leisten: Kannst du splissen un knoten, kannst ok primen un roken, würd to de Jungens seggt." Wossidlo: Reise, Quartier, in Gottesnaam.
Janmaat fertigte sich mitunter auch seine Rauchpfeife gern selbst:
Aus Muschelgehäusen, aus einem Kuhhorn oder aus Pockholz, dem Material, aus dem auch der Fid und die Kleedkeule hergestellt waren. Die Heuer einfacher Matrosen war gering, doch wer es sich erlauben konnte, der deckte sich vor der Ausreise mit Dingen seines Bedarfs ein. Der Rauchtabak durfte dabei nicht fehlen, doch waren zwei drei Pfund davon während der Reise schnell verbraucht. Für teures Geld konnte man, neben anderem, auch Tabak beim Kapitän kaufen, denn dieser war "Herr der Schlappkiste", und das nutzte er oftmals zu seinen Gunsten aus. Seeleute wußten dies nur zu genau, und so fanden sie natürlich auch Wege und Mittel , sich in gewisser Weise zu revanchieren:
"Inzwischen hatte auch das Laden des Tabaks angefangen. Dies wurde von den Negern besorgt, ebenso wie das Stauen der großen, schweren Fässer. Die Räume zwischen diesen wurden mit Daubenholz ausgefüllt, das somit einen Teil der Ladung ausmachte. Da lernten wir auch die Zubereitung von Rauchtabak für eigenen Gebrauch kennen. Wenn einmal ein beschädigtes Faß an die Reihe kam, fiel freiwillig oder auch unfreiwillig ein Bündel Tabak heraus und fand sofort Liebhaber. Die Blätter wurden eine Nacht in Wasser gelegt und ließen sich dann die Rippen ganz leicht herausziehen. Der Rest der feuchten Blätter wurde wie eine lange Wurst geformt, mit altem Segeltuch umwickelt und dann mit sogenanntem Schie-mannsgarn, einem starken, geteerten Faden, so fest wie nur möglich umwunden, und in der Sonne die ganze Sache getrocknet. Nach einiger Zeit von der Umhüllung befreit, war der Tabak eine feste Masse geworden und gab mit einem scharfen Messer, möglichst fein ge-schnitten, einen herrlichen, starken, vollständig reinen Pfeifentabak, der außerdem noch den Vorzug hatte, daß er sehr billig war." Oskar Schulz, Im Strom derGezeiten, Kabel/ DSM, Hamburg 1998
Die Seekiste
"Zeugspinde hat es im Matrosenlogis auf einem normalen Großsegler keine gegeben. Jeder Schiffsmann hatte eine Seekiste, in dieser war sein Hab und Gut, alles was er besaß, untergebracht. Diese Seekiste war bestens gearbeitet, ca. 90 cm lang, 40 cm breit, 50 cm hoch und verjüngte sich etwas nach oben zu. Zum Tragen und Anlüften meiner Seekiste waren zu beiden Breitseiten Taustroppen (Tauringe) mit allem möglichen seemännischen fancywork verschönt, angebracht. Die Seekiste konnte der Stolz eines Matrosen sein!
Es war ein ungeschriebenes Gesetz, keiner im Matrosenlogis verschloß auf See, während der Fahrt, seine Seekiste. Wer es dennoch wagte, erweckte Mißtrauen und wurde eines Besseren belehrt!
Ein weiterer Stolz für einen Matrosen war sein, gleichfalls mit viel fancywork ausgestatteter, von ihm selbst hergestellter, Geschirr-Segeltuchbeutel, genannt Kreefsack. Für einen Matrosen als Toppsgast unentbehrlich, in ihm hatte er, wenn er in seinem Mast Dienst tat, alles von ihm benötigte Handwerkszeug zur Stelle." Kapitän Hans Blöss: Glanz und Schicksal der Potosi und Preussen, Schmidt & Klaunig, Kiel 1960
Freizeit
"Was sie selbst an Bord in ihrer kargen Freizeit mühselig und peinlich exakt anfertigten, aus Kork, Perlen, Segeltuch und Tauresten, jene Buddelschiffe, jene Rettungsringe mit dem Schiffsnamen, Fußreiniger und Handtaschen, das sind kümmerliche, unkünstlerische Arbeiten, die aber als Geschenke, denn nur dafür sind sie gedacht, doch wohl immer an die richtige Adresse kommen und dann erfreuen und geehrt werden. Dazwischen gibt es aber auch Seeleute, die die entzückendsten Schiffsmodelle anfertigen oder Hängematten und andere praktische Sachen zu knüpfen verstehen."
Ringelnatz, Joachim: Ich, der Matrose Ringelnatz, Hinstorff Verlag, Rostock 1986
Wichtig war, daß man sich mit etwas beschäftigte, denn Freizeitangebote, wie die Seefahrt sie heute kennt, die gab es nicht. So betätigte sich einjeder ganz nach seinen Vorstellungen, mit seinem Geschick, oder Ungeschick.
"Spielereien mit Tauwerk"; das Legen möglichst "vielpartiger Türkischer Bunde", das Verzieren seemännischer Werkzeuge mit ausgefallenen Katnings, die kunstvolle Fertigung eines schönen Seekistengriffes oder einfach "Tricks" mit einem Ende (Tau, Tampen), mögen sicher gern ausgeübte Beschäftigungen in der knapp bemessenen Freizeit der Seeleute gewesen sein. Die einzigen waren sie freilich nicht. Segelschiffsleute waren vielseitig, erfinderisch und geschickt. Manche auch künstlerisch begabt:
"Doch lüften wir nun einmal den Deckel unserer alten Seekiste. Dessen Innenseite war häufig wirklich sehenswert. Hier hatte sich Janmaats Kunsttrieb ausgelebt- manchmal auch ausgetobt- in guter Ölfarbe. Meist brauste dort ein großer Segler unter vollem Zeug in fliegender Fahrt durch eine intensiv blaue Tropensee. Oft winkte ein überlebensgroßer Leuchtturm im Hintergrund vom Gestade einer palmenbestandenen Insel. Einmal sah ich das Bild eines winzigen Eilands in graugrüner See , breit grüßte ein braunes Hausdach mit den gekreuzten Pferdeköpfen Allvaters Wodes darüber aus blühenden Bäumen. Im Vordergrund lag ein Fischerboot hart am Winde; darin drei blonde Männer, die winkten dem Hause zu. Es war das Bild einer Hallig, der Heimat des Eigentümers jener Kiste. Immer wenn er den Deckel aufklappte, hatte er sein Vaterhaus vor Augen und das Boot, in dem ermit Vater und Bruder zum Fischfang gesegelt war. Jedoch große Segler, Vollrigger oder Barken, sie waren die Regel auf diesen Deckelbildern. Das Ganze umrahmte meistens ein Arrangement aus den Flaggen aller seefahrenden Völker, in dem die deutschen und englischen Farben, mitunter auch die Sterne und Streifen der Staaten, die Hauptrolle spielten. Ohne pro domo zu sprechen muß doch gesagt sein, daß sich unter diesen Seekistengemälden hin und wieder welche fanden, die für sich den Rang eines Kunstwerkes wohl beanspruchen konnten. Die meisten hielten das Niveau einer netten dilettantischen Mittelmäßigkeit der realistischen Schule. Einige sah ich, die verfolgten einen im Traum! Man vergesse jedoch nicht, daß aus dem Mannschaftslogis eine Reihe namhafter Maler hervorgegangen sind. Also wenn Sie den Deckel einer alten, "befahrenen" Seekiste öffnen, dann wissen Sie nie, ob Sie nicht im nächsten Augenblick ein bisher unbekanntes Jugendwerk eines Hans Bohrdt, eines Leipold oder R. Schmidt entdecken oder gar einen echten Manet. Darum Obacht!" Kapitän Fred Schmidt: Von den Bräuchen der Seeleute, Verlag Die Brigantine, Hamburg 1962
Das Segelschiff, des Fahrensmanns Zuhause, manchmal für Jahre auf einer Reise, war ein willkommenes Objekt , seine Geschicklichkeit zu üben. Vom Kapitän bis zum Jungen, viele haben "Ihr Schiff" im Kleinformat, als Buddelship, Halbmodell oder Vollmodell oft detailgetreu gebaut. In Schiffahrtsmuseum kann man einige davon bestaunen.
"Auf langen Seereisen wurden in der kargen Freizeit von Matrosen, oft mit viel Geschick und Fertigkeit, Flaschen-, Halb- und auch Modell-Schiffe in lang-wieriger Arbeit gebastelt. Doch so ein stolzer Besitz war bei manchen nicht von langer Dauer. Schon im nächsten Hafen wurden, wenn der Segler an einer Pier lag, Besuchsgäste, meistens weibliche, für ein paar freundliche Worte, für ein wenig Lob zu diesem schönen Stück Bastelarbeit hiermit als Geschenk beglückt! Ein Matrose als Bürger der Ozeane und Meere war jedem guten Wort und Willen von Menschen des Hafens, in dem er lag, zugetan!" Kapitän Hans Blöss, ebenda
Neben dem Schiffsmodellbau, in allen seinen Variationen, entstanden oft kunstvoll ausgeführte Schnitz- und Gravur-Arbeiten aus Holz, Bein, Horn, Schildpatt und anderen Materialien.
Als Werkzeuge dienten den Seeleuten in der Regel einffache Klappmesser, Segelnadeln; manchmal kleine Feilen oder Raspeln.
Das Schmirgelpapier für die Feinarbeit, lieferte ein gefangener Hai mit seiner bekanntlich sehr rauhen Haut.
Weniger bekannt unter Seegelschiffsleuten, weil offenbar mehr von Walfängern des 19.Jahrhunderts betrieben, ist hierzulande die Walbeinschnitzerei. Sehr wohl finden sich wunderbar gravierte Pottwalzähne, kunstvoll geschnitzte Kapitänsstöcke und fachmännisch gefertigte seemännische Werkzeuge wie, Fids (Fitten), Kleedkeulen, Nahtglätter und Segelnadelbehälter, in Schiffahrtsmuseen an Nord- und Ostsee , doch die Blüte dieser Seemannskunst erreichte ihren Höhepunkt zur Zeit des amerikanischen Walfangs, besonders in den Neuenglandstaaten. Die Walbeinschnitzerei, in den USA mit "Scrimshaw" bezeichnet, gilt dort mehr oder weniger als rein amerikanisch zu betrachtende Volkskunst der Walfänger.
Souveniers- Janmaats Mitbringsel
"Ich habe schon viele Seltenheiten gesammelt; das Gerippe eines Schweinfischkopfes und eines Sturmvogels, eine indianische Binsenmatte. Diese kam von Land hergetrieben und unser Bootsmann fischte sie auf und gab sie mir. Eine fußlange Seekreebsschere, Flosse von Haifisch und viele Kleinigkeiten mehr." Ingrid Schmidt: Grüßt alle, nächstens mehr; Briefe und Zeichnungen des Segelschiffsmatrosen Paul Mewes 1860-1865. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1981
Selbst Tiere wie, kleine Affen, Papagaien und andere Lebewesen wurden mit in die Heimat genommen. Meist brachte man allerdings Tierpräparate aller, für die "Daheimgebliebenen" interessant erscheinenden "seltenen Arten", mit. Holzfiguren und Flechtarbeiten aus Afrika, Australien; der Südsee und des Pazifik, erfreuten sich größter Beliebtheit und - natürlich die Muscheln aus allen Meeren dieser Welt. Chinesisches Porzellan und Elfenbeinschnitzereien waren aber auch damals schon eher etwas für Kapitäne und Offiziere.
Janmaats Sammelleidenschaft war nahezu grenzenlos. Das war so in der Segelschiffszeit und ist heute unter Seefahrern noch durchaus üblich; wenn auch in eingeschränktem Maße. Während der Seemann des 19. Jahrhunderts, meist im Tauschverfahren, " tschintsche for tschintsche", landestypische Kostbarkeiten ergatterte, traf man bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, selbst im entferntesten Winkel der Welt, auf oft geringwertige Massenprodukte, die es nicht lohnte, mitzubringen. Die Zeiten hatten sich geändert, doch Janmaat störte dies offenbar nicht:
"Eine große Industrie lebt von dem Kitsch, den Matrosen sich kaufen. Andenken aus allen Städten, in Muscheln, Samt, Perlen und Spiegelglas. Öldrucke und Ansichtskarten mit Wehmut triefenden Abschiedsszenen, süßen, neckischen Mädchen oder mit wildromantischen Wellengräbern `Seemannslos`. Damit schmücken sie ihre Koje liebevoll aus. Denn diese Koje, die nicht viel größer und anders ist als ein Sarg, bedeutet ihnen ihr eigenstes Heim." Ringelnatz, Joachim: Ich, der Matrose Ringelnatz, Hinstorff Verlag, Rostock 1986